Landrechte - wie steht es um die Umsetzung?

Atlas

Gerechter Zugang zu Land und fruchtbaren Böden ist eine wesentliche Voraussetzung für die Einhaltung von Menschenrechten wie dem Recht auf Nahrung. Obwohl zahlreiche Erklärungen das Recht auf Land beinhalten und von den meisten Staaten ratifiziert wurden, enden Landkonflikte auf der ganzen Welt oft tödlich.

Indigene sind besonders betroffen. Sie machen 6 Prozent der Weltbevölkerung aus. Und ein Drittel jener, die 2022 bei Landkonflikten getötet wurden
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Indigene sind besonders betroffen. Sie machen 6 Prozent der Weltbevölkerung aus. Und ein Drittel jener, die 2022 bei Landkonflikten getötet wurden

Weltweit sind Boden und Land sehr ungleich verteilt: 1 Prozent der Betriebe bewirtschaften mehr als 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Weil Eigentumsverhältnisse oft nur ungenau erfasst sind, könnte das tatsächliche Ausmaß der Ungleichheit sogar noch größer sein. In vielen Ländern ist es eher die Regel denn die Ausnahme, dass die Landrechte ohnehin schon diskriminierter Menschengruppen verletzt werden. Drei Beispiele: In Kenia werden Witwen oft von männlichen Familienmitgliedern vom Land vertrieben; im brasilianischen Amazonas bedrohen Abholzung und der illegale Abbau von Gold traditionelle Siedlungsgebiete indigener Gemeinschaften; und in Kambodscha verletzen expandierende landwirtschaftliche Großbetriebe die Rechte von kleinbäuerlichen Gemeinschaften. Oft gehen Landkonflikte mit Gewalt einher: Im Zeitraum 2012 bis 2022 wurden weltweit über 1.900 Menschen umgebracht, die sich für die Umsetzung von Land- und Menschenrechten engagiert haben.

Bodenatlas 2024 Cover

Der Bodenatlas 2024

Der Bodenatlas beleuchtet in 19 Kapiteln nicht nur die Folgen des weltweiten Verlusts an fruchtbarem Boden, sondern zeigt auch die Potentiale nachhaltiger und gerechter Bodennutzung für den Klimaschutz und die Artenvielfalt.

Mehrere internationale Menschenrechtsinstrumente beinhalten ein Recht auf Land für bestimmte Bevölkerungsgruppen, deren Rechte besonders bedroht sind. Hervorzuheben sind die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte von Kleinbäuer*innen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten. Des Weiteren ist als zentrales Menschenrechtsinstrument der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu nennen, der ein Recht auf angemessene Nahrung beinhaltet. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat ihn im Jahr 1966 angenommen – im Jahr 1976 trat er in Kraft und 171 Staaten haben ihn bis zum heutigen Tag ratifiziert. Gemäß dieses Paktes haben Staaten die Pflicht, die legitimen Landrechte der Bürger*innen zu respektieren, sie gegenüber der Verletzung durch Dritte zu schützen und darüber hinaus aktiv dazu beizutragen, dass diese Rechte umgesetzt werden. Dies betrifft insbesondere auch die Landrechte von Frauen, die weltweit immer wieder verletzt werden.

Auch wenn in vielen Ländern fortschrittliche Gesetze verabschiedet wurden, ist der Vollzug der Gesetze häufig unzureichend. Deutlich wird das beispielsweise bei Fragen der Erbfolge oder der Mitbestimmung über Landeigentum. Der Begriff der legitimen Landrechte geht dabei über die Landrechte hinaus, die bereits durch den Staat anerkannt sind. Er schließt explizit Landrechte von Gemeinschaften ein und ist damit umfassender als die westlich geprägte Vorstellung des Individualeigentums. Legitime Landrechte sind auch solche, die sich aus der Tradition ableiten lassen. Das heißt konkret, dass indigene Bevölkerungsgruppen ein Recht auf ihre tradierten Siedlungsgebiete besitzen. Bei der Anerkennung und dem Schutz dieser Landrechte geht es häufig nur sehr langsam voran. Den Fortschritten stehen immer auch Rückschritte oder Stillstände gegenüber: Während etwa in Brasilien kürzlich der oberste Gerichtshof die Landrechte indigener Gruppen bestätigt hat, wird in Bangladesch der Schutz indigener Landrechte seit bereits vielen Jahrzehnten verschleppt.

Schutzlos ausgeliefert: Wo Staaten anfällig für Korruption sind, sind Verteidiger*innen von Landrechten größerer Bedrohung ausgesetzt
Schutzlos ausgeliefert: Wo Staaten anfällig für Korruption sind, sind Verteidiger*innen von Landrechten größerer Bedrohung ausgesetzt

Diese Pflichten von Staaten, Landrechte zu schützen, enden nicht an den jeweiligen Staatsgrenzen. Für Deutschland bedeutet dies, diese Pflichten auch gegenüber deutschen Firmen oder Organisationen durchzusetzen, die international Investitionen in Land vornehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Investitionen in Land mit dem Ziel des Schutzes der biologischen Vielfalt getätigt werden oder ob es sich um Investitonen in landwirtschaftliche Betriebe und Projekte handelt.

Alle aktuell 138 Mitgliedstaaten des Komitees für Welternährungssicherheit der Vereinten Nationen (CFS) haben 2012 die Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern beschlossen. Auch wenn diese Leitlinien freiwillig sind, so sind die internationalen Menschenrechtsinstrumente rechtlich bindend, auf denen die Leitlinien basieren. Diese Instrumente und Vereinbarungen legen sehr weitgehende Verpflichtungen des Staates gegenüber seinen Bürger*innen bezüglich des Schutzes ihrer Landrechte fest.

Eine intakte Umwelt und gesunde Böden sind unmittelbar relevant für die Erreichung anderer Menschenrechte, nicht zuletzt des Rechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Die Umsetzung der Menschenrechte ist daher ohne nachhaltige Bewirtschaftung des Bodens und den Schutz seiner Ressourcen nicht zu denken.

Landrechtsreformen stoßen in den meisten Fällen auf massiven Widerstand. Beispiele hierfür sind die Frauen, denen der Besitz von Land verweigert wird. Großgrundbesitz geht häufig noch mit großem politischem Einfluss einher. Zivilgesellschaftliche Gruppen sind in sehr vielen Fällen diejenigen, die Reformen vorantreiben – und dafür kämpfen, dass international vereinbarte Menschenrechte umgesetzt werden. Sie alle bedürfen Deutschlands systematischer Unterstützung.